Helianthus annuus Helianthus tuberosum
Wahrscheinlich ist der Anbau und die Nutzung von Sonnenblumen älter als die Nutzung von Mais.
Die Waldlandindianer im Gebiet der großen Seen im heutigen Kanada verwerteten nicht nur die Samen, sondern stellten aus den gelben Blütenblättern auch einen Farbstoff her.
Die Stängelfasern wurden getrocknet und zu Seilen gedreht. Die zerstampften Kerne wurden mit Maismehl zu Brotfladen verarbeitet.
Im Namen stecken die griechischen Wörter helios = Sonne und anthos = Blume, bezugnehmend darauf, dass die Blüten von Helianthus annuus an die Sonne erinnern, dieser bei ihrem Lauf über den Himmel folgen, so dass sie stets zur Sonne zeigen. Das kann man an einem Sonnenblumenfeld gut beobachten.
Wahrscheinlich sind Mexiko und Kolumbien die Urheimat dieser Pflanze. Die Gattung umfasst ca. 100 Arten, ein- und mehrjährige, die vor allem in Nordamerika vorkommen.
Die erste Beschreibung der Sonnenblume stammt von Nicolás Monardes (1493-1588), Lehrer für Heilkunde an der Universität Sevilla. Er veranlasste auch, dass Samen nach Europa gesandt wurden und bald war diese Blume recht bekannt in Europa. Unter dem Namen Flos solis wird sie in den alten Kräuterbüchern geschildert.
Im Kräuterbuch des Jacobus Theodorus "Tabernaemontanus" von 1625 ist über die Sonnenblume zu lesen:
Der Sonnenkron seyn zwey Geschlecht/ gross und klein:
l. Das erste Geschlecht ist gar ein hohes grosses Gewächs/ viel grösser dann ein Mann: (Wächst in Spanien/ zu Zeiten auch bey uns 24 Schuhe hoch.) Hat einen geraden und starcken Stengel/ fast eines Arms dick/ mit breyten grossen Blettern besetzt/ so rings umbher etwas zerkerffet seyn: Oben am Giepffel erscheinet ein grosse Blum/ der Goldtblumen gleich/ aber viel grösser/ fast wie ein ziemliche breyte Paret/ oder ein grosser breyter Teller/ rings umbher mit vielen goldtgelben Blumen besetzt/ wie an der gemeldten Goldtblumen: Wann dieselbige verfallen/ so bekömpt man einen langlechten schwartzen Samen/ welcher gar selten zeitig wirdt: Es meldet CAMERARIUS, dass er ein Blum gehabt/ die guten zeitigen Samen 2362 getragen habe.)
Von den Nahmen
Sonnenkron wirdt auch genennet gross Indianisch Sonnenblum/ dieweil sich die Blume nach der Sonnen wendet/ Lateinisch/ CORONA SOLIS/ FLOS SOLIS PERUVIANUS/ CHRYSANTHEMUM PERUVIANUM unnd FLOS SOLIS/ planta maxima.
Von der Natur/ Krafft und Eygenschafft der Sonnenkron/ im Leib
DODONAEUS schreibt/ dass die junge zarte Stiel an den Blettern ein wenig gekochet/ darnach mit Oel unnd Saltz zugerichtet/ ein lieblich Essen geben/ unnd reytzen sehr zu ehelichen Wercken.
(Die Blume aber ehe sie sich auffthut/ unnd fast wie ein Artischock sihet/ kochet man gleicher Gestalt/ unnd soll auch wie die Artischock jhr Wirckung haben.
Der same ist lieblich zu essen/ jedoch hat er zuletzt ein schärpffe: etliche halten darfür/ dass er wie der wilde Saffran purgiere.)
Eusserlicher Gebrauch
Etliche meynen/ man könne diss Kraut auch wol für ein Wundtkraut gebrauchen/ dann es hefftet etwas zusammen. Ist sonst in keinem Gebrauch/ dann es mehr Lusts dann Nutzes jalben getzielet wirdt.
(In der Mitten der Blumen findet man ein klebrichten safft welcher ein Geruch hat wie Terpenthin: So findet man bissweilen an dem stengel ein röhtliche Gummi/ welches man in Spanien zu den Wunden brauchen soll.
So man diss Krauts Stengel etlich mal von einander bricht/ allein die äusserste Schälen gantz bleibet/ und widerumb zusammen bindet/ wächst es sehr baldt widerumb zusammen/ unnd gleich wie an einem Beinbruch einen CALLUM machet/ wie dann auch CAMERARIUS meldet.)
Joachim II. Camerarius (1534 - 1598) ergänzte das Kräuterbuch von Matthiolus (Commentaria in Dioscoridem) durch eigene und von Geßner hinterlassene Beschreibungen, so fügte er auch einen Passus über die Sonnenblume hinzu:
"Vor etlichen jahren hat man dieses Gewächs auß America und Peru, da es von jeher selber wechset, zu uns gebracht, und ist nun überall in Gärten und für den Fenstern bey uns also gemeyn worden, dass es fas keiner sonderlichen Beschreibung bedarff.
...............man nennt es Sonnenblumen von wegen der Figur und daß sie sich nach der Sonnen wendet."
Die Botaniker des 16. und 17. Jh. bezeichneten Helianthus annuus als solis flos, aber auch die Bezeichnungen planta maxima, solis flos peruvianus, chrysanthemum peruvianum, helianthemum peruvianum, herba solis, sol indianus, helenium indicum, corona solis waren gebräuchlich.
Im 17. Jh. begann man Sonnenblumenkerne ins Brot zu backen, und geröstet dienten sie als Kaffee-Ersatz.
Ende des 17. Jh. findet die Sonnenblume Eingang in die Malerei, sie entwickelt sich zu einem Symbol von Herrschen und Stolz, von Loyalität und Ergebenheit, Abhängigkeit von König und Volk.
In der christlichen Ikonologie ist sie das Sinnbild der Ergebenheit gegenüber der katholischen Kirche.
Die Sonnenblume wird vor allem im flämischen Raum das Symbol für die Kunst, die ihre Inspiration aus den Natur enthält.
Im 18. Jh. verliert sie in der Kunst an Bedeutung, bis Vincent van Gogh (1853-1890) sie als Motiv entdeckt.
Um 1770 beginnt der Anbau von Sonnenblumen in Südrussland, ab 1830 werden Sonnenblumen zur Ölgewinnung in der Ukraine angebaut.
Dort selektiert man auch einen Typ: sehr großkernige, die überwiegend in den Hausgärten angebaut werden als Nascherei mit einem hohen Eiweißgehalt.
In der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift Nr. 19 (1920) ist zu lesen: "Jetzt ist die Sonnenblume längst eine häufige Pflanze der Bauern- und Siedlergärten, manchmal wird sie auch an Bahndämmen und in Rüben- und Kartoffeläckern angebaut. Auf Gartenschutt trifft man sie nicht selten verwildert an."
Sonnenblumenfelder in gigantischen Ausmaßen habe ich in der Ukraine gesehen, Pflanzen mit einer Höhe von 3m waren keine Seltenheit.
Die getrockneten Blätter und Stängel sind ein gutes Viehfutter, da sie mehr Eiweiß als Klee und Heu enthalten. Bei Kühen bewirken Sonnenblumen im Futter eine Steigerung der Milchleistung, die Kerne werden als Mastfutter für Geflügel genommen, auch fördern sie bei Hühnern das Eierlegen. Allerdings verursacht eine ausschließliche Fütterung damit eine Entartung der Eierstöcke.
Sonnenblumen werden seit dem 19. Jahrhundert auch als Ölpflanzen angebaut und genutzt. In China, Europa und Amerika findet man die größten Anbaugebiete. Das aus den Pflanzen gewonnene Sonnenblumenöl gilt als besonders gesund und kann aufgrund seiner Hitzebeständigkeit auch als Frittierfett verwendet werden. Gut zum Kochen oder für die Marinade von Salaten eignet sich das Öl, welches aus den Samen gepresst wird. Die Sonnenblumenkerne enthalten zahlreiche wertvolle Vitamine sowie Karotin, Calcium, Jod und Magnesium und dienen so der gesunden Ernährung des Menschen. (siehe auch "Sonnenblumen" von Monika Kratz)
Das aus den geschälten Kernen gewonnene Sonnenblumenöl entspricht in seiner Qualität dem Olivenöl und ist lange haltbar.
Sonnenblumenöl enthält viele ungesättigte Fettsäuren (65 %) insbesondere essentielle Linolsäure und ist reich an Vitamin E.
Kaltgepresstes Sonnenblumenöl hat eine dunkelgelbe Farbe, raffiniertes ist hingegen hellgelb.
Ein aus frischen Blüten und zerschnittenen oberen Stängelteilen hergestellter alkoholischer Auszug soll bei fieberhaften Erkrankungen, Grippe, Bronchialkatarrh und Lungenerkrankungen, helfen.
In alten Kräuterbüchern findet man Hinweise auf Verwendungsmöglichkeiten:
"Die Bluhmen dieses Gewächses von den Blätterlein wohl gesäubert, und mit Butter, Salz und Gewürze gekocht, geben eine Speise ab, so da lieblicher, als die Spargeln und Artischocken, erwecken große Lust zu den ehelichen Wercken. Gleiche Lieblichkeit und Tugenden haben auch die Stiele der Blättern, auf obige Weise gekocht und zubereitet."
Botanik
Sonnenblume (Helianthus annuus)
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Systematik
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Ordnung:
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Asterales |
Familie:
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Korbblütengewächse (Asteraceae)
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Unterfamilie:
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Röhrenblütler (Asteroideae)
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Tribus:
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Heliantheae
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Gattung:
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Sonnenblumen (Helianthus)
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Art: |
Sonnenblume (Helianthus annuus)
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Durch die jahrhundertlange Kultur und Auslese schon in Süd- und Mittelamerika entstanden zahlreiche Sorten und Typen. Manche bringen nur eine große Blüte mit einem Durchmesser bis zu 50 cm hervor, andere mehrere, kleinere Blüten. Auch in der Höhe der Pflanzen gibt es zahlreich Unterschiede von bis zu 4 m (Macrophyllus Giganteus) bis hin zu 40 cm hohen Zwergen, z.B. Gelber Knirps und Zwerg-Sonnengold.
Es wurden Sorten erzielt, deren Blütenscheiben extrem lange Zungenblüten bilden, und Sorten, bei denen die inneren Röhrenblüten zu Zungenblüten umgebildet sind, eine gefüllte Form der Sonnenblume.
Eine weitere annuelle Art Helianthus debiles ssp. cucumerifolius erreicht nur eine Höhe von 120cm und ist kräftig verzweigt. Die Blätter sind klein und herzförmig, die Blüten haben nur einen Durchmesser von 10 bis 15cm, die Farbe der Zungenblüten reicht von gelb bis braun, oft auch geflammt, oder sie weisen um die Scheibe herum eine hellere oder dunklere Zone auf.
Ebenfalls einjährig ist Helianthus argophyllus, die auf allen Teilen, aber besonders auffällig auf den Blättern, einen silbrig-filzigen Überzug hat. Diese Art verzweigt sich schon kurz über dem Boden und bringt mehrere bis zu 20 cm breite Blüten mit orangegelben Zungenblüten und gelber oder dunkelbrauner Scheibe hervor. Da sich diese Art hervorragend mit H. annuus kreuzt, kommt sie selten rein vor.
Durch Züchtung und Auslese haben sich einige Gartenformen von Helianthus annuus gebildet, deren Blütenkörbe nur oder beinahe nur aus Zungenblüten bestehen, die "gefüllte" Sonnenblume.
Viel Wasser und Dünger verhelfen speziellen Züchtungen Höhen von über 4,50 m zu erreichen, ein beliebter Wettbewerb in Kleingartenvereinen.
Die landwirtschaftlich genutzten Sorten sind überwiegend Züchtungen von Helianthus annuus, sie bilden nur eine Blüte aus, die Reife der Kerne erfolgt ziemlich einheitlich.
Im Privatgarten sind länger blühende Sonnenblumen sehr beliebt, die später erscheinenden Nebenblüten werden allerdings nicht mehr so groß wie die Hauptblüte.
Der Stängel ist mit stacheligen Haaren besetzt und bildet eine weite, mit Mark gefüllte Röhre.
Die Blattflächen sind herzförmig, am Blattgrund bilden die Blattnerven einen festen Rand, der sich allmählich durch die Verzweigung der Nerven lockert. Die Blattspitze neigt sich nach unten.
Die Blattstiele sind behaart, durch ihre Beweglichkeit ist es möglich, dem Anprall des Windes auszuweichen, der feste Rand verhindert ein Einreißen des Blattes.
Die Blätter sind - mit Ausnahme der ersten beiden, die sich gegenüber stehen - gleichmäßig in einer Schraubenlinie um den Stängel angeordnet. Durch diese Anordnung werden alle Blätter von den Sonnenstrahlen getroffen. Die Blattflächen sind schräg nach unten gerichtet, so dass Regenwasser schnell ablaufen kann.
Eine kurze, senkrecht Hauptwurzel und zahlreiche ebenfalls kurze Seitenwurzeln mit immer feineren Nebenwurzeln bilden ein festes Wurzelgeflecht. Die Wurzeln erstrecken sich nicht über den Bereich der Blätter hinaus. Da die Anordnung der Blätter nicht dicht geschlossen ist wird der gesamte Wurzelbereich vom abgeleiteten Regenwasser durchnässt (zentrifugale Wasserableitung).
Das obere Ende des Stängels verbreitert sich scheibenförmig zum Blütenboden, auf dem viele kleine, ungestielte Blüten sitzen. Der Blütenstand (Köpfchen) ist von mehreren großen, grünen Blättern (Hüllkelch) umgeben, welche die Blüten im Knospenzustand überdecken. Durch die Hüllblätter erhält der Blütenstand das Aussehen eines Körbchens, daher die Bezeichnung Korbblütler, Compositae.
Sowohl Blätter als auch Blütenknospen zeigen einen ausgeprägten Heliotropismus und bewegen sich zur Sonne.
Nach dem Aufblühen der meisten Röhrenblüten wird diese Bewegung weitgehendst eingestellt, meist zeigen die Blütenköpfe nach Osten, der aufgehenden Sonne entgegen.
Die Einzelblüten, die in den Achseln kleiner, dreizackiger Spreublätter stehen, sind nach ihrer Stellung auf der Blütenscheibe - zu unterteilen in Röhren- und Zungenblüten.
Die Röhrenblüten, in der Mitte des Blütenbodens, haben kleine, meist gelbbraune röhrenförmige, fünfzipflige Blütenkronen.
Der unterständige Fruchtknoten trägt zwei winzige Kelchblätter. Die Beutel der 5 Staubblätter sind zu einer Röhre verwachsen, durch die sich der Griffel mit der zweiästigen Narbe hindurch schiebt.
Die beiden Narbenäste liegen eng aneinander, bis sich die Beutel der Staubblätter öffnen und die Röhre mit Blütenstaub füllen. Dann erst wächst der Griffel in die Röhre und transportiert den Blütenstaub nach oben, die Blütenkrone öffnet sich und der Pollen tritt aus der Blüte. Wenn der Blütenstaub vollständig entfernt ist, öffnen sich die Narbenäste, die Blüte kann jetzt bestäubt werden.
Da die einzelnen Blütenköpfchen sich nicht alle zur gleichen Zeit öffnen, das Aufblühen geschieht von außen nach innen, erfolgt meist eine Fremdbestäubung. In seltenen Fällen kann es aber auch zu einer Selbstbestäubung kommen, die Narbenäste rollen sich dann so weit zurück, dass ihre Oberflächen mit dem am Griffel anhaftenden Blütenstaub in Berührung kommen.
Nach der Bestäubung ziehen sich die Staubbeutel und der Griffel in die Blütenröhre zurück und bilden im unteren Teil der Blütenröhre einen Verschluss. Unter den vertrocknenden Blütenteilen reifen die Früchte.
Bei den am äußeren Rand befindlichen Zungenblüten fehlen Staubblätter und Griffel vollständig. Sie dienen nur dazu, mögliche Bestäuber herbeizulocken. Erst wenn alle Zungenblüten voll ausgebildet sind, öffnen sich die Röhrenblüten.
Die Einzelblüten bilden zwei Systeme vom Mittelpunkt ausgehender Spiralen. Meist zählt man 55 rechtsdrehende und 34 linksdrehende Spiralen, aber auch 21 und 34 Spiralen, sowie 144 und 233 Spiralen bei den Riesensonnenblumen sind möglich. Die Anordnung folgt erstaunlicherweise einem mathematischen Gesetz, den Fibonacci-Zahlen (Leonardo Fibonacci, 1170 - 1240) bei der jedes Glied die Summe der beiden vorhergegangen Zahlen ist. Die Anzahl der rechts- bzw. linksdrehenden Spiralen sind stets zwei benachbarte Fibonacci-Zahlen. Das Verhältnis der Summen entspricht in etwa dem Goldenen Schnitt, einem Winkel von 137,5°.
Die Fruchthülle, die aus den beiden Fruchtblättern gebildet wird, schließt nur einen Samen ein. Die schwarzgraue Frucht öffnet sich bei Reife nicht, es ist eine Schließfrucht.
Auf die reinen Zierformen von Helianthus, wie H. atrorubens, die behaarte Wald-Sonnenblume, H. decapetalus, die dünnblättrige Sonnenblume, und Helianthus x multiflorus, mit den meisten - aus Sports entstandenen - Sorten, soll hier nicht eingegangen werden.
Helianthus tuberosum
Erdartischoke, Jerusalemartischoke, Erdbirne, kanadischer Erdapfel, russischer Erdapfel, Rosskartoffel und Schweinebrot sind Bezeichnungen für Helianthus tuberosum, heute allgemein als Topinambur bekannt.
Der Name soll sich von den südamerikanischen Tupi-Indianer ableiten, allerdings haben diese nie H. tuberosum angebaut sondern Maniok. Angeblich hat ein französischer Adliger 1613 von seiner Reise nach Brasilien Indianer des Stammes der "Tupinambous" als lebende Geschenke für Maria von Medici, Gemahlin des französischen Königs Heinrich IV. mitgebracht.
Der Stamm der Tupinambous war den Europäern schon seit der ersten Hälfte des 16.Jh. bekannt. Der Hesse Hans Staden wurde von ihnen zu Beginn des 16.Jh. gefangen genommen und musste freigekauft werden. Sein Abenteuer beschrieb er in dem Werk "Wahrhaftige Historie und Beschreibung einer Landschaft der Wilden Grimmigen Menschenfresser", das 1576 in Frankfurt a.M. erschien. Französische Seefahrer trieben Tauschhandel mit den Indianern und gewannen sie als Verbündete gegen die Portugiesen.
So wurden nun die "lebenden Geschenke" am französischen Hof als "Alliierte der Grande Nation" gefeiert, getauft, anatomisch untersucht und dann in der Gesellschaft herumgereicht. Die Tupinambous waren die gesellschaftliche Attraktion, was wundert es, dass "tupinambour" rasch ein Modewort wurde, das für alles Großartige, Bizarre und Exotische stand, wurde.
Die schon 1605 in der Nähe von Cape Cod durch Samuel de Champlain entdeckte Pflanze, stand unter dem Namen "Batatas de Canada" als Delikatesse auf dem Speiseplan des französischen Hofes. In der "Historie de la Nouvelle France" (1609) wird sie als "dick wie eine Faust, von Artischockengeschmack und unglaublich fruchtbar" beschrieben. Als Topinambour wurde die Knolle, die als Pflanze der Prärien Nordamerikas nichts mit den südamerikanischen Indianern zu tun hatte, das Modegemüse der Haute Cuisine der damaligen Zeit.
Als "Potatoes of Canada" wurde Helianthus tuberosum in Großbritannien bekannt. John Parkinson (1567-1650) beschreibt die Knolle in seinem Kräuterbuch Theatrum botanicum (1640) als "eine Köstlichkeit, geeignet für eine Königin".
An Rezepten mangelte es nicht, Schwärmereien wie "die gekochte Wurzel ist bestens für das Weihnachtsfestessen geeignet", machten die Knollen begehrt. Sie wurden gekocht, geschält und in Butter, Wein und mit teuren Gewürzen gedünstet oder mit Knochenmark, Rosinen, Datteln und Ingwer und einer Sherry-Soße angerichtet, aber auch in Milch gekocht und zum Roastbeef serviert.
Als "girasole articiocco" wurde H. tuberosum in Italien bekannt, angeblich wurde sie das erste Mal im Garten der Villa Farnese bei Rom angebaut.
Die Einwanderin aus dem nördlichen Amerika, von Saskatchewan bis zum Mississippidelta, kommt in den Prärien wild vor. Als Kurztagspflanze blüht sie erst nach der Tag- und Nachtgleiche und kommt daher in nördlichen Gefilden selten zur Samenreife. Um so mehr breitet sie sich über die Wurzeln aus. Sie treibt lange Ausläufer mit verdickten Knollen. Wühlmäuse und Ratten lieben ihre Wurzeln und jedes Teilstück was irgendwo liegen bleibt bildet eine neue Pflanze.
"Pangi" nannten die Steppenindianer die Pflanze, sie war ein wichtiges Nahrungsmittel im Frühling, wenn alle anderen Vorräte knapp wurden.
Allerdings waren die Knollen nicht sehr beliebt als Nahrungsmittel, sondern bewahrten nur vor Hunger.
Die Sioux verabscheuten sie, da "sie starke Darmwinde erzeugen, was das Leben im Tipi unerträglich macht".
Die Omaha nannten die Knollen "Nahrung für verwaiste Knaben, die keine Verwandten haben, die sie füttern".
Die Huronen und andere Stämme der Waldlandindianer im südlichen Kanada sammelten nicht nur die Knollen, sondern bauten sie in Hochbeeten an.
Obwohl die Biobauern und die Ernährungsforscher Topinambur als ein besonders nahrhaftes und gesundheitsförderndes Gemüse wiederentdeckt haben, findet man die Knollen selten - höchstens im Bioladen oder in der Delikatessenabteilung - im Angebot. Zu sehr hängt ihnen das Stigma von Not und Entbehrungen an. Topinambur bringt auf der gleichen Fläche drei- bis viermal so viel Ertrag wie die Kartoffel, sie braucht keine Pflege und stellt auch sehr geringe Ansprüche an den Boden. Während der beiden Weltkriege wurde H. tuberosum daher verstärkt angebaut und hat teilweise die Kartoffel ersetzt.
Der fade, ein wenig süßliche Geschmack konnte die meisten Verbraucher nicht auf Dauer begeistern, lediglich Diabetiker greifen gelegentlich als Kartoffelersatz auf sie zurück.
Heute wird Topinambur, wenn überhaupt, als Schweinefutter oder zur Wildfütterung verwendet.
Die ungestüme Vitalität der Pflanze machte sie für die Landwirtschaft auf Dauer nicht attraktiv. Heute wird in Frankreich aus den Knollen ein Biotreibstoff gewonnen (100 kg = 8-10 l Alkohol), aber die Anbauflächen sind auf Jahre hinaus für keine andere Pflanzung zu gebrauchen, denn einmal Topinambur = immer Topinambur. Selbst Schweineherden, die man auf die Äcker pferchte, konnten die Knollen und Wurzelstücke nicht restlos beseitigen. Aus dem "königlichen" Gemüse wurde Schweinefutter und Unkraut.
Dabei enthalten die Knollen erheblich mehr Mineralstoffe als die Kartoffel, sie enthalten mehr Eisen als Spinat, sechsmal soviel Kalium wie eine Banane, reichlich Kalk und Kieselsäure und verschiedene Vitamine des B-Komplexes.
Auch als Appetitzügler ist Topinambur zu verwenden, da die Knollen keine Stärke enthalten, sondern Inulin, das in komplizierten Prozessen in der Leber umgesetzt wird und den Hunger dämpft. Die Fruktose stabilisiert den Blutzuckerspiegel. In der amerikanischen Health-Food Bewegung stehen Topinambursäfte und -präparate hoch in Kurs.
Rezepte
Lauwarme Topinambursuppe mit Muskat
400 g Topinambur, feingeschnitten
50 g feingeschnittenen Lauch
50 g Kürbis, gewürfelt
800 ml Gemüsebouillon
Muskatnuss
30 g Linsen, gemahlen
50 g Frischkäse
1 EL Haselnussöl
Schnittlauch, fein geschnitten
Kräutersalz
Pfeffer
Topinambur, Lauch und Kürbis in der Bouillon weich kochen, mit Muskatnuss würzen. Pürieren undmit dem Linsenmehl binden, nochmals aufkochen. Mit Kräutersalz und Pfeffer abschmecken und den Frischkäse darunter ziehen.
Mit dem Haselnussöl beträufeln, Schnittlauch darüber streuen und lauwarm servieren.
Topinamburgratin mit Zwetschgen
600 g Topinambur, in Scheiben geschnitten
100 g Zwetschgen, halbiert
200 ml Gemüsebouillon
200 ml Rahm
2 Eier
40 g Haselnüsse, gemahlen
80 g Emmentaler, gerieben
Butter für die Form
Muskatnuss, Zimt und Kräutersalz
Eine Gratinform ausbuttern, mit Muskat und Zimt ausstreuen.
Die Zwetschgen und den Topinambur lagenweise in die Form geben.
In einer Schüssel die Bouillon, den Rahm und die Eier mischen, mit Kräutersalz abschmecken. Den Guss in die Gratinform giessen und das Ganze mit den Haselnüssen und dem Käse bestreuen.
Das Gratin im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen 1 Stunde backen.
Mit Salat servieren.
Topinambur-Rohkostsalat
2 Knollen Topinambur
1 Stückchen Sellerie
1/2 Orange
Honig
1/2 Apfel
1 EL Zitronensaft
2 EL Rahm
1 EL geriebene Walnüsse
Frische Knollen bürsten, waschen (nicht schälen) und mit geschältem Apfel und Sellerie fein raspeln. Zitronensaft, zerkleinerte Orange und Rahm dazugeben, mit Honig süßen und mit geriebenen Walnusskernen bestreuen und sofort servieren.
Topinambur-Cremesuppe
1 kg Topinambur-Knollen
1 1/2 Liter klare und entfettete Rindsuppe
1/4 Liter Sahne
1/8 Liter Creme Fraiche
Salz und Pfeffer
1 kg Topinambur-Knollen sorgfältig mit einer Bürste unter fließendem Wasser mitsamt der dünnen Schale reinigen. Die in Nussgröße geschnittenen Knollen in 1 1/2 Liter klare und entfettete Rindsuppe geben und mit einer kleinen Knoblauchzehe und einer Messerspitze Kümmel etwa 1/2 Stunde kochen.
Die Suppe kühlen und mit einem schnelllaufenden Mixer pürieren. Das Püree wird nochmals aufgekocht. 1/8 Liter Sahne und 1/8 Liter Creme fraiche mit dem Schneebesen darunter schlagen und mit Salz und Pfeffer würzen. Zum Schluss wird der Rest der Sahne (1/8 Liter) fest geschlagen und unmittelbar vor dem Servieren unter die heiße Suppe gezogen.
100 g zart geräucherter, durchgezogener Frühstücksspeck dünnstreifig schneiden und in einer Pfanne scharf abrösten, die knusprigen Speckstücke auf die Suppe geben.
Deftige Gemüsepfanne mit Topinambur
300 g Topinambur
2 Zwiebeln
4 Möhren
200 g gekochter Schinken oder geräucherter Speck
1/8 Liter Weißwein
2 EL Sojasoße oder Gemüsebrühe
1/8 Liter Sahne
1/8 Liter Milch
150 g geriebener Käse
Topinambur, Zwiebeln, Möhren in dünne Scheiben schneiden. Gekochten Schinken oder geräucherten Speck in Streifen schneiden und mit den Zwiebeln in Olivenöl anbraten. Topinambur und Möhren dazu geben und mitbraten. Mit Weißwein aufgießen und ca. 10 Minuten köcheln lassen.
Sojasoße oder Gemüsebrühe, Sahne und Milch dazu geben, würzen und einziehen lassen, den geriebenen Käse darüber geben und servieren.
Topinambur gebraten
500 g Topinambur
2 EL Öl
Sojamehl
2 EL Rahm
Reform-Hefeextrakt
1 Zwiebel
evtl. etwas Suppe
1 Ei
Prise Salz
Basilikum
Frische Knollen bürsten, waschen (nicht schälen) und in feine Scheiben schneiden. Geriebene oder fein geschnittene Zwiebel in Öl glasig dünsten. Topinamburscheiben dazugeben und auf beiden Seiten etwas anbraten lassen. Evtl. etwas Suppe dazufügen und fertiggaren. Sojamehl, Ei und Rahm verquirlt daruntermischen. Mit Salz und Hefeextrakt würzen, Basilikum darüberstreuen.
Topinambur mit Quark
5 Topinamburknollen
1 Karotte
250g Quark
1 EL Frischkäse
2 TL Käse-Quark-Gewürzmischung
Essig
Salz
Die Topinamburknollen und die Karotte fein raspeln (stifteln). Dann mit Quark, Frischkäse und der Gewürzmischung gut vermengen. Zum Schluss mit Essig und Salz abschmecken. Diese Rezeptur eignet sich auch hervorragend als Brotaufstrich.
verwendete Literatur:
Lehrbuch der Botanik für Hochschulen, Fitting, Schumacher, Harder, Firbas
Bekannte und vergessene Gemüse, Wolf-Dieter Storl
Zander, Handbuch der Pflanzennamen
New Kreutterbuch, Hieronymus Bock
Fotos: verschiedene
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