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Amaranthus
Wahrscheinlich sind nur zwei der nahezu 100 Arten umfassenden Gattung der Amarantháceae in Europa heimisch, Amaranthus blitum und Amaranthus graecizans. Alle übrigen, hier teilweise als Unkraut angesehenen, wurden zunächst aus Asien und Afrika, evtl. mit Schafwolle oder Saatgut, eingeschleppt.
Steckbrief der Amarantháceae
Hierbei handelt es sich um Kräuter oder Stauden mit wechselständigen oder gegenständigen einfachen Blättern. Die Blüten sind klein und unscheinbar, mit 3 Deckblättchen, Blütenblätter fehlen ganz. Der Kelch ist 3- oder 5-teilig/-blättrig, trockenhäutig und meist gefärbt. Die Blüten sitzen einzeln oder in dichten Knäueln, die sich zu kopfförmigen oder verlängerten Blütenständen (Cymen) vereinen. Die Frucht bleibt von der Blüte umschlossen.
Der Name entstand wahrscheinlich aus dem griech. Wort amaraino = "ich verwelke nicht" wegen der bleibenden strohigen Blütenhülle. Man sieht es den Pflanzen nicht an, wenn sie abgeblüht sind.
Bereits der griechische Philosoph und Botaniker Theophrast (~372-287 v.Chr.) berichtet, dass "Bliton" als Gemüse angebaut wird. Dioskorides schreibt in seinem Werk "De materia medica", das um 78 n. Chr. entstanden ist, "das Gemüse bekommt dem Leibe gut, hat aber keine arzneiliche Eigenschaft". (II. Buch, Kap. 143, S. 39)
Ob Dioskorides tatsächlich A. blitum gemeint hat und nicht vielleicht das häufiger vorkommende Chenopodium bonus-henricus, "Guter Heinrich", dem allerdings eine homöopathische Wirkung nachgesagt wird, oder vielleicht auch eine Art von Atriplex, die Melde, kann heute nicht mit Bestimmtheit nachvollzogen werden.
Das "blidas" des "Capitulare de villis et curtis imperialibus" wird zwar meist als Gemüseamaranth angesehen, einen eindeutigen Beleg gibt es dafür aber nicht.
Auch die deutschen Namen helfen nicht weiter. Es gibt unzählige von ihnen, die auch noch landestypisch sehr variieren.
Im "New Kreuterbuch" des Leonhart Fuchs von 1543 wird Amaranth mit folgenden Worten beschrieben:
"Das erst hat schön goldgeele blümen/wurdt auff Teutsch geheyssen Rheinblüm/ darumb das es umb den Rheinstrom zwuschen Speyer und Wormbs gern wechst................ Ein yedes rundes aschenfarbs stenglin tregt im gipffel goldgeele runde knöpffechte blümlin/ welche nimmer verwelcken sonder alzeit jhre farb behalten."
Die Abbildung zeigt wahrscheinlich Helichrysum arenarium bzw. Gnaphalium arenarium, Sandstrohblume.
Eine zweiter "Amaranth" wird so beschrieben:
"Samatblum aber hat runde braunfarbe stengel/ mit neben zincken unnd ästen oben aussen besetzt/ bletter wie das groß Basilickraut/ doch grösser und lenger. Am obersten des stengels stehn die schwartzbraune und zusamen getrungen blumen als ein äher/ die bringen in der blust jren schwartzen/ glatten/ unnd glitzenden kleinen samen in kleinen heußlin jngeschlossen."
Hierbei kann es sich um Gomphrena globosa, Gewöhnlicher Kugelamaranth, bzw. Celosia argentea var. cristata, Silber-Brandschopf, Hahnenkamm handeln.
Hieronymus Bock beschreibt in seinem "Kreutterbuch, darin underscheidt, Namen und Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken unnd Beumen sampt ihren Früchten, so inn Teutschen Landen wachsen" von 1551:
"Rheinblumen...ist ein gewächß spannenlang/des wurtzel ist kurtz unnd schwartz/die bletter seind ganz weiß wollecht als die Wullkreuter/mit d'gestalt aber vergleiche sich die wollechte bletter dem gemeine Meußöhrlein/ein jedes rundes eschenfarbes stengelein tregt im gypffel zehe od' zwölff/mehr oder minder/gale runde hupsche knopffechte blumlein/ein jedes knopflein wie ein Flachßboll gefüllt/welche nimer mehr durz werde oder verwelcke/sonder alle zeit in ihrer farb behalten mögen werde/Somer und Winter eines lieblichen geruchs/am geschmack ein wenig bitter. Dise edele blumlein wachsen im Hewmonat umb Johannis."
des Weiteren nennt er in dem Kapitel:
"Hasenpfötlein sein wild geschlecht findt man auff de sandechten ackern und Garte. Der stengel an diesem würt höher un ganz Eschenfarb(sein Couimbi oder knöpfechte blümlein seind nit so schön gal/sonder grawgal/etlichs blaw Eschenfarb inn seiner ganze substanz/fleigen nach der zeittigung daruon/wie andere wollechte und fliegende blümen."
als dritte Variante schreibt er:
".....findt man auff durze Heyden im Aprillen/blumlein von vielen farbe/etlich ganz weiß/etlich braun purpur rot/etlich leibfarb/etlich gesprengt rot und weiß/ohn allen geruch/nit anderst inn der gestalt dann obgemelte Rheinblumen/etwan vj oder vij runder blumlein auff eim kurzen dunnen stengelein/die dozren auch nicht/so sie abgebrochen werden/ihre blättlein ligen auff der Erden/als ein rädlein außgespreit. Die blättlein seind gegen der Erden eschefarb/vergleichen sich aller ding dem zamen Meußöhrlein/daher dise gewächß von etlichen auff dem Rheinstrom Meußöhrlein genennt werden. Die schöne blümlein findt man nimmer im Jar dann gegen dem Aprillen/auff durzen Grasechten ungebawten willerichen und Schaaffweyden."
und führt über die Namen der Pflanzen weiter aus:
"Die ersten mit den galenblüme nennet man Rheinblumen/im Waßgaw Jüngling/darumb das sie nicht alt werde/oder nit verwelcken/von etlichen Mottenblumen/darumb das die Schaben unnd Motten dem gewand nit schaden/wa die blumen darbeiligen/Latina Tineraria/und Amaranthum/und soll die Aurelia Theoph. sein.
Die ander nennt man Ketzlein/oder feldkatzen/umb der fab und lindigkeit willen/andre sagen ihm Rhurkraut und Hynschkraut der tugent halben. Die dritten mit den vilen farben/nennt man Hasenpfotlein/umb der gestalt willen/dann ein jedes stengelein mit seinen blumen und körneren/vergleichen mit einem fußlein. An etlichen orten nennt man solche blumlein Engelblumlein. Von disen blumen ist droben im Irrwiih weiter geschrieben/des gleichen im rcuuj.cap. von den kleinen Maußöhrlein. Etliche wollen dise blumen Stechadam citinam nennen/beweren solches auß dem Serapoine/cap. de Secha/vermeinen es sey das recht Absynthium marinum/was aber das selbige seye/würt hernach gehört. Mich will beduncken diß zweit graw geschlecht sey das zweit Polium Diosc.
Im Dioscoride findet man zwei Capitel die sich zu den ersten langwürigen Rheinblumen schicken/nemlich das Heliochryson/das etlich Amaranthum und Chrysanthemon nennen/deßgleichen das Ageratum.
Es mögen dise beide geschlecht Heliochryson der blumen halben sein/daß sie wachsen in keinem schattechten ort/sonder frei underm Himel/da kein schatten ist. Meins bedunckens heissen sie billicher Agerata/darumb das sie nit alt werde, sie werde nicht welck."
Ich schließe daraus, dass mit all den im Mittelalter als Amaranth bezeichneten Pflanzen nicht die heute unter dem Namen bekannte Pflanze gemeint sein kann.
Nicholas Culpeper (1616-1654), der englische Heilkräuterkundige, schreibt, dass die getrockneten, zu Pulver verriebenen Blüten Blutungen stoppen können. Leider konnte ich nicht herausfinden, welchen Amaranth er gemeint hat, evtl. A. hypochondriacus oder A. caudatus.
Die Amarantharten waren in der Zeit der Romantik sehr beliebte Gartenblumen, auch in Trockensträußen, da sich die Blütenrispen nach Entfernen der Blätter hervorragend trocknen lassen ohne die Farbe zu verlieren.
Amaranthus tricolor, syn. A. gangeticus (Linné) ist in China und Indien als Gemüse sehr verbreitet. Er ist das chinesische Pendant "Chaulai" zu unserem Spinat. Die linealisch-lanzettlichen bis rund-ovalen Blätter dieser Art haben dunkle, fast schwarze Blattadern und sind zudem oft auch noch 2- bis 4-farbig. Man kann bei dieser Art von einer einjährigen Blattschmuckpflanze sprechen. Besonders schön ist die Sorte "Salicifolius", die gelegentlich im Gartencenter zu erhalten ist. Die Blätter haben in der Jugendform ein metallisches Grün, das sich langsam in Zonen und Streifen mit Gelb, Orange, Purpur und Rosa verwandelt. Die achselständigen, grünlichen Blüten, die in einer aufrechten Scheinähre stehen, sind als Zierde eher unbedeutend. Die Art ist sehr variabel. Der Ayurveda kennt den Ganges-Amaranth als eiweiß-, mineralstoff- und vitaminreiches Blattgemüse und sagt ihm eine gute Heilwirkung bei verschiedenen Beschwerden nach.
Amaranthus hybridus od. A. hypochondriacus hat langgestielte zugespitzte Blätter, die auffallend rot oder kastanienbraun gefleckt sind. Es gibt zahlreiche Sorten mit unterschiedlichen Blattfärbungen, darunter auch goldgelb. Der Blütenstand ist rispenährig, die Triebspitze neigt sich über.
Angeblich haben die Indianer Nord- und Mittelamerikas aus dieser Art Naturfarben zur Körperbemalung gewonnen.
Amaranthus caudatus, der Gartenfuchsschwanz, mit den lang überhängenden dunkelroten Scheinähren blüht schon ab Juli. Er erreicht die stattliche Höhe von bis zu 100 cm, wenn ausreichend gedüngt und gewässert wird. Die ovalen, spitz zulaufenden Blätter sitzen an rotbraunen Stängeln. Er ist eine sehr robuste, blattreiche, einjährige Pflanze aus dem tropischen und subtropischen Amerika, deren Blütenähre sehr dicht, sehr lang und weich ist und die einem Fuchsschwanz ähnelt.
Die typische Blütenfarbe ist Dunkelrot, das als "Amaranthrot" bezeichnet wird. Seltener treten auch weiße und grünlichweiße Blütenähren auf.
Amaranthus paniculatus syn. Amaranthus chlorostachys, der grünährige Fuchsschwanz hat zugespitzte, elliptische Blätter und bildet teilweise daumendicke Stängel aus. Die Blütenähren stehen fast aufrecht mit einer längeren und kräftigen Mittelähre. Die Blütenfarbe ist je nach Sorte grün, grünlichgelb oder rot, die Laubblätter sind rotbraun oder dunkelgrün.
Die o.a. Arten und ihre Sorten werden als annuelle Pflanzen im Garten verwendet, in geschützten Gebieten können sie auch im Freiland überwintern. An Nachkommen ist allerdings kein Mangel. Hat man erst einmal einen Fuchsschwanz im Garten, dann sät er sich selbst aus und ist nur mit Mühe wieder zu entfernen. Eine Pflanze produziert bis zu 10 000 Samenkörner.
Da die Amaranthpflanzen, entsprechend dem Klima ihrer Heimatgebiete, eine hohe Keimtemperatur verlangen, laufen sie im Freiland erst Mitte Mai auf. Es ist daher vorteilhaft Jungpflanzen vorzuziehen. Man sät bereits Ende März/Anfang April in ein warmes Frühbeet oder im Gewächshaus aus, pikiert bald in kleine Töpfe und kann dann Mitte Mai ins Freiland pflanzen. Pflanzen, die mit Topfballen gepflanzt werden, entwickeln sich am besten. Der Boden muss nährstoffreich sein, der Standort in voller Sonne liegen, und bei Trockenheit ist ausgiebig zu wässern.
Alle genannten Arten können im Jugendstadium wie Spinat zubereitet werden. Sind erst einmal die Blütenstände erschienen, nehmen die Blätter einen leicht bitteren Geschmack an.
Amaranthus retroflexus, der gebogene Fuchsschwanz, ist die sagenumwobene Getreidepflanze der Inka und Azteken.
In ihrer Heimat sind es heilige Pflanzen. Sie sind die Urnahrung, welche die Ahnen aus der vierten Welt unter der Erde mit in diese fünfte Welt brachten.
Bei den Azteken war die Fuchsschwanzsaat ein sehr wichtiges Getreide. Aus den gemahlenen Samen wurde mit Blut eine Paste geknetet aus der die ranghöchsten Priester ein Bildnis des Huitzlilopochtli - Sohn der Erdgöttin - formten. Dieses Gebilde, zoale genannt, wurde in traditionellen Prozessionen zu den Pyramiden gebracht, dort wurde es zerbrochen und dem Volk als eine Art Kommunion, als Fleisch und Blut der Gottheit, gegeben.
Die spanischen Eroberer, noch unter dem Eindruck der spanischen Inquisition, sahen darin eine Verspottung des christlichen Abendmahls und verboten daher den Anbau der Pflanze.
Aber es gab angeblich auch noch einen anderen Grund:
Die Eroberer wunderten sich, dass die unterworfenen Völker in Mexiko und Peru trotz aller Repressalien immer wieder Kraft schöpfen konnten. Der spanische Vizekönig, Marquez de Canete, soll gesagt haben: "Warum bringen diese schmutzigen Indianerinnen noch immer gesunde und robuste Kinder zur Welt, wenn wir sie auf den Bauch und den Kopf schlagen?" Dieses Rätsel glaubten die Priester gelöst zu haben, als sie entdeckten, dass die heilige Pflanze trotz des Verbotes immer noch in auf kleinen Bergfeldern angebaut wurde. Sie berichteten, "dass sie eine gewisse Frucht essen, die nicht größer als ein Stecknadelknopf ist" (1560). Daraufhin wurde angeordnet, dass die Pflanze, wo immer sie anzutreffen wäre, vernichtet werden solle.
Amaranth enthält besonders viel Lysin, eine essentielle Aminosäure, die eine hervorragende Ergänzung zum Grundnahrungsmittel Mais ist.
Während Mais und Kartoffeln den Weg nach Europa fanden und auch dort zu Grundnahrungsmitteln wurden, machte der Amaranth wahrscheinlich einen Umweg über Indien, wohin ihn die Portugiesen brachten.
In der Gegend von Mysore, im Südwesten Indiens, aber auch im Himalaya wurden die Amaranthkörner zu einem Hauptnahrungsmittel und werden als "ramdana" Gottes Geschenk bezeichnet.
Neuerdings gewinnt der Körneramaranth auch Bedeutung in Europa, als Beimischung zu biologischen Erzeugnissen.
Weniger traditionsreich ist der Amaranthus blitum, syn. A. viridis. Er wurde wahrscheinlich früher als Spinatpflanze im Garten angebaut. Der liegende Fuchsschwanz hat verzweigte, kahle Stängel, die teilweise aufsteigen. Die eiförmigen, 2 bis 6 cm langen Blätter haben auf der Oberseite oft einen dunklen Fleck. Die Blüten sitzen geknäult in den Blattachseln und in endständigen Ähren.
Es gibt etliche Varietäten.
Warmer Gemüsestrudel mit grünem Fuchsschwanz
100 g Kartoffeln, geraspelt
100 g Karotten, fein geraspelt
1 EL Olivenöl
100 g grüner Fuchsschwanz, grob geschnitten
50 g Brennesseln, gezupft
1 Prise Muskat
1 Prise Pfeffer
Kräutersalz
2 Eigelb
300 g Blätterteig
Die Kartoffeln und Karotten 5 Minuten im heißen Olivenöl dämpfen. Den Fuchsschwanz und die Brennnesseln beigeben und kurz andämpfen. Vom Herd nehmen und in einem Sieb abtropfen lassen. Mit Muskat, Pfeffer und Kräutersalz abschmecken. Die Eigelb darunter mischen
Den Blätterteig ausrollen, mit der Gemüsemasse belegen und wie einen Strudel aufrollen. Mit etwas Wasser bestreichen und im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen 35 Minuten backen. Heiß mit Salat servieren.
verwendete Literatur:
Lehrbuch der Botanik für Hochschulen, Fitting, Schumacher, Harder, Firbas
Bekannte und vergessene Gemüse, Wolf-Dieter Storl
Zander, Handbuch der Pflanzennamen
New Kreutterbuch, Hieronymus Bock
Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands, Haeupler/Muer
Fotos: verschiedene
© Günther Wolkenstein und Christiane Frost 1.1.2005
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